Essay von Theresa über Krakau – Klassenfahrt nach Krakau

Reise  – Krakau 

Aus der Sicht einer jungen Deutschen nicht gerade als „Top-Travel-Land“ deklariert. Eher unbedeutend, uninteressant, generell von den Ländern ausgeschlossen, die man unbedingt einmal gesehen haben muss. Auch von den Influencern nicht als das Land angepriesen, das zum neuen After-Abi-Travel-Hit wird. Zu nah an der Heimat, zu unspektakulär, zu grau, zu normal, zu Europa.

Ich war dort. Als Abiturientin. Mehr oder weniger freiwillig. Auf jeden Fall eine Reise wert!

Krakau ist nicht super bunt wie Thailand, Krakau ist auch nicht super individuell wie Australien und Krakau ist auch nicht super high wie Südamerika. Aber Krakau ist unfassbar groß an Geschichte, voller kultureller Einflüsse und reich an Schönheit. Krakau hat ein Gesicht – einmal gesehen, für immer behalten.

Erster Stopp Kazimierz – als ehemals eigenständige Stadt bildet dieser Stadtteil das jüdische Viertel Krakaus mit vielen Synagogen. Am Straßenrand Cafés und Restaurants, verwinkelte Gassen und enge Sträßchen, Kopfsteinpflaster – nicht selten lückenhaft, Klarinettenklänge, fröhliche Gesichter in der Mittagssonne, Herbst. Ein jüdischer Friedhof, im zweiten Weltkrieg als Müllhalde zweckentfremdet, nach dem zweiten Weltkrieg aus den Müllbergen ausgegraben, aufgestellt, gerichtet. Zerstörte Grabsteine als Bruchstücke nebeneinander, kreuz und quer angerichtet und eingemauert. Eine massive Mauer aus Grabsteinen und Beton, stärker als jeder Vernichtungsdrang. Architektonisch schön verarbeitet mit stichhaltigem Hintergedanken und symbolischem Charakter.

Religion ist stärker als Machtmissbrauch, Völkerhass und Rassenkult – erstes Statement.

Hamsa, ein jüdisches Restaurant mit einer unglaublichen Vielfalt an Gerichten und auch für jeden Foodblogger ein Leckerbissen, optisch wie auch geschmacklich. Aufstriche, Fladenbrot, Salate, Reis, Kebab, Lamm, Hühnchen, Baklava, Schokokuchen. Für jeden etwas und von allem zu viel.

Zweiter Stopp Podgórze – das ehemalige jüdische Ghetto, tausende Menschen zusammengepfercht auf winzigem Raum, wartend auf den Tod oder gerade am Sterben. Eingesperrt, abgeschottet vom Rest der Welt. Hungernd, arbeitend, lebendig, aber nicht am Leben. Hingerichtet auf dem Platz.

Religion. Jüdischer Glaube. Christlicher Glaube. Jeder andere Glaube. Menschen – zweites Statement.

Eine Fabrik, die den Glauben an die Menschheit zur Zeiten einer widerwertigen Massenvernichtung nicht ganz aufgibt. 1200 Gerettete.

„Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“[1] Töpfe und Metallschalen haben das Leben dieser Menschen bedeutend geprägt. Gedenken an Oskar Schindler. Filmtipp: Schindlers Liste. Ein Platz merkwürdig angeordneter Stühle – Gedenkplatz.

Dritter Stopp Krakauer Altstadt – Zwischen alten Stadthäusern, historischen Kirchen und einem riesigen Hauptplatz lässt sich die Schönheit dieser Stadt fassen. Stündlich erklingende Trompetenklänge, Tauben – weniger schön, aber in Mengen vorhanden, Touristen etlicher Herkunftsländer. Ein Schloss und ein feuerspuckender Drache, Kinderherzen, die sich erfreuen. Teppiche mühsam gefertigt, unfassbar kostbar. Die alte Universität, Gelehrtenberichte, Theologie, Medizin, Astronomie, Lehren ein Leben lang. Lasst uns gemeinsam die Stadt erleben, den Rathausturm erklimmen, Krakau von oben betrachten. Alte Gebäuden, Kirchturmspitzen, Stadthäuser. Sind sie nicht schön? …Riecht ihr das auch? Kaffeeduft, der über den Hauptplatz schwebt. Essensdüfte polnischer Köstlichkeiten. Lasst uns zusammen Essen gehen und uns für den nächsten Stopp stärken, es wird nicht einfach werden.

Vierter Stopp Auschwitz – Situation: Gerede, Gelächter, Passieren des Eingangs, erdrückende Stille. Bäume – Zeichen des Lebens, Zeitzeugen. Geräusch des Kieswegs unter den Füßen und Stille und Kies und Stille – Gänsehaut. Erschreckende Bilder, nicht nur mitgenommen hat es einen, sondern umgehauen. Menschengruppen kommen sich in engen, schmal abgesteckten Gängen der Gebäude entgegen – weiße Gesichter, tote Gesichter, starre Blicke. 6 Tonnen konservierte Menschenhaare, erdrückender Anblick. 80.000 Schuhe, viele Schuhe, überall nur Schuhe oder auch 40.000 Menschen. Viele Menschen. Mir wird schlecht. Metallgestänge überall, ein ganzer Metallklumpen – Brillen, tausende Brillen und die Frage nach dem WARUM hallt durch meinen Kopf. Auf der einen Schädelseite angekommen, zurück zur anderen, wie bei einem Ping-Pong-Spiel in Endlosschleife. WARUM.WARUM.WARUM… Auschwitz-Birkenau – das eine nicht ansatzweise verdaut und schon Neues draufgestopft. Weiten, ich seh nur unfassbare Weiten, die Größe des Geländes nicht vergleichbar mit irgendwas. Nicht groß ist es, größer, weiter, noch weiter. Überall nur Schornsteine, ich seh nur Schornsteine aus dem Boden wachsen. Hunderte Schornsteine. Eine Baracke, beklemmend, ich will hier raus. Modrig, modrige Balken, abgewetzte Bretter – Betten. Menschen, die in einer Art Stall gehalten wurden, aber nicht solche der „glücklichen Tiere,“ eher unter den Bedingungen der Massentierhaltung, nur noch viel schlimmer. Schlimmer als dass man es sich ansatzweise hätte vorstellen können, geschweige denn es beschreiben könnte. Mir wird schlecht – zum Zweiten.

Kein Statement – keine Wörter.

Irgendwie krank nach Hause. Gedankenirrsinn für die nächsten zwei Wochen, bis einen der Alltag wieder einholt.

Auschwitz muss man gesehen haben, um es zu verstehen. Bildung, Weiterbildung, Verinnerlichung der Geschehnisse.

Menschen können so ekelhaft sein, lasst es uns besser machen, nicht nur besser, grundlegend anders, grundlegend, auf keinen Fall so – niemals, einfach nicht. Lasst uns gute Menschen sein.

Krakau, es war schön bei dir, bis bald vielleicht. Gesehenes werde ich nicht aus meinem Sinn lassen, Gehörtes nicht aus meinem Kopf und Gefühltes nicht aus meinem Herzen.

[1] Zitat aus dem Talmud

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