Literarische Gruppenreisen nach Polen
Sie lieben Literatur und wollen die polnische Kultur unter literarischen Gesichtspunkten kennenlernen oder haben Ihren Zugang zu Polen über die Literatur gefunden? Dann ist eine Literaturreise genau das richtige Format für Sie, das Nachbarland zu erkunden. Nicht erst seit dem Olga Tokarczuk 2019 den Nobelpreis für Literatur gewonnen hat ist die polnische Sprache, die in ihrer Struktur, Grammatik und Syntax als eine der komplexesten Sprachen überhaupt gilt, für ihren literarischen Beitrag weltbekannt. Über bekannte Vertreter der Romantik wie Adam Mickiewicz und Koryphäen des 20. Jahrhundert wie Witold Gombrowicz bis hin zu Meisterinnen der Gegenwart brachte die polnische Sprache eine Vielzahl von weltbewegenden Autorinnen und Autoren sowie Stilrichtungen hervor. Tauchen Sie in die Geschichte und Gegenwart der polnischen Literatur ein, auf einer unserer Literaturreisen.
MÖGLICHE BAUSTEINE EINER LITERATURREISE
- Organisation einer Autorenreise
- Literarische Sonderführungen
- Gesprächsrunden mit Autorinnen und Autoren
- Auf den Spuren der wichtigsten Autoren durch Polen
- Literarische Treffen und Diskussionsrunden
Galerie
Möglicher Reiseverlauf
Eine Reise in die UNESCO-Literaturstadt Krakau
Tag 1 – Anreise
Tag 2 – Literarische Sonderführung
Tag 3- Jüdisches Viertel und Dichterlesung
Tag 4 – Heimreise
Mögliche Leistungen
BEISPIELHAFTE LEISTUNGEN DER LITERARISCHEN REISE NACH KRAKAU
- 3 Nächte in Krakau
- Literarische Sonderführung in Krakau
- Führung durch den jüdischen Stadtviertel Kazimierz mit Eintrittskosten zur Synagoge
- Besuch im jüdischen Kulturzentrum
- Literarisches Treffen in der Kaffehaus-Buchhandlung mit einem Autor
- Deutschsprachige Dichterlesung
AUTORENREISE ALS BESONDERE ART DER LITERATURREISE
Autorenreisen sind eine ganz besondere Form der Literaturreise.
Gemeinsam mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Franken e.V. hat Polenreisen Nürnberg etwa im Jahr 2018 eine ganz besondere Reise organisiert. In Begleitung des Schriftstellers und Publizisten reiste die Gruppe nach Niederschlesien und lernte ganz unterschiedliche Facetten dieser faszinierenden Region kennen.
Matthias Kneip, dessen Eltern aus dem oberschlesischen Oppeln stammen, gehört zu den bekanntesten Vermittlern polnischer Kultur in Deutschland und sein Buch „111 Gründe, Polen zu lieben“, erreichte in Deutschland ein breites Publikum. Mit Texten und Kommentaren hat er die Reise begleitet und die Reisegruppe mit den Besonderheiten polnischer Kultur und Geschichte vertraut gemacht.
REISE MIT DEM SCHRIFTSTELLER MATTHIAS KNEIP NACH NIEDERSCHLESIEN UND LEBUS
08. – 13. Mai 2018
Die Reise begann bei schönem Wetter am Nürnberger Busbahnhof. Pünktlich stieß die Ansbacher Gruppe zu uns und wir konnten abfahren. Gemeinsam waren wir 20 Mitfahrer aus Nürnberg und Umgebung und aus Ansbach und Umgebung. Ein Paar aus dem Taubertal hatte sich ebenfalls eingefunden. Unsere Reiseleiterin, Frau Ewa Keller-Wielopolska von der DPG Franken, führte die Reisegruppe souverän und immer gut gelaunt, dabei kenntnisreich durch die sechs Reisetage. Das Breslauer Busunternehmen mit dem freundlichen Busfahrer Roman erwies sich als Glücksfall. Auch auf den schmalsten Straßen in Polen fand er sich zurecht. Unvergessen bleibt ein Wendemanöver im Weinberg.
Matthias Kneip aus Regensburg, angestellt beim Poleninstitut Darmstadt und freier Schriftsteller, stellte sich im Bus vor und erfreute die Mitfahrer mit einigen Kapiteln aus seinen Büchern „11 Gründe Polen zu lieben“ (Schwarzkopf und Schwarzkopf) und „Reise in Westpolen“ (House of Poets), so dass die Fahrt sehr kurzweilig wurde.
Erstes Ziel war das Hirschberger Tal und die Schneekoppe. Allerdings hielten wir auf dem Weg in der „Welt des Dariusz Miliński“ in Pławna Dolna (Schmottseifen) an. Hier lebt und arbeitet der auf der ganzen Welt erfolgreiche Maler, der „nebenher“ ein Universum an Museen, Galerien und sein Großprojekt, die Arche Noah geschaffen hat. Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen, was einen an diesem Ort alles erwartet. In Erinnerung bleibt vielleicht doch am tiefsten sein Museum der Vertreibung. Ohne akademische Museumsdidaktik vereinigt er Hinterlassenschaften der Deutschen mit Gegenständen des Alltags, die die polnischen Vertriebenen aus Ostpolen mitbrachten. Die zufällige (?) Mischung der Dinge berührt auf eigenartige Weise den Betrachter und Besucher und wirkt um so authentischer. In seinem Archeprojekt, einem riesigen Holzschiff, versammelt er in einem weiteren Museum religiöse Volkskunst und religiöse Kultgegenstände aus Ost und West. Auch hier begegnen sich Gegenstände und veranlassen den Besucher, nachzudenken oder sich einfach berühren zu lassen von der Schönheit der Objekte. Es gibt auch ein Museum für Kinder. Hier können sie sich aktiv in historischen Werkstätten betätigen, zum Beispiel drucken.
Erste Hotelstation war Staniszów (Stonsdorf). Wir übernachteten die ersten beiden Tage stilvoll in sehr schönen Zimmern im ehemaligen „Schloss am Wasser“ (Pałac na Wodzie), welches ca. 2 km vom alten Stonsdorfer Schloss entfernt liegt (das ebenfalls ein Hotel ist). Das Hirschberger Tal besitzt soviel Schlösser und Paläste auf begrenztem Raum wie keine andere Gegend in Europa.
Eine kundige Stadtführerin begleitete uns zwei Tage mit Stadtführung in Jelenia Góra und am nächsten Tag zur Schneekoppe. In Jelenia Góra beeindruckte die evangelische Gnadenkirche. Die riesige Kirche wurde um 1690, 50 Jahre nach dem Bau der großen Friedenskirchen gebaut und dem Kaiser in Wien als „Gnade“ (sie zu bauen) abgekauft. Die Bauauflagen waren ähnlich denen der Friedenskirchen (einen Kanonenschuss vom Zentrum, kein Glockenturm u. a.).
Die Schneekoppe war vom Nebel verhüllt und auf dem Gipfel konnte man nur bis zur Baude schauen. Trotzdem ein einmaliges Erlebnis, in 1600 Meter Höhe dieses Mikroklima zu erleben (vergleichbar mit den Alpen auf 2300 Meter Höhe). Es schloss sich am Fuß der Schneekoppe die Besichtigung der Kirche Wang an, einer norwegischen Stabkirche, die im 19. Jahrhundert in Norwegen vor der Zerstörung gerettet und hier neu aufgebaut wurde. Ein Mitfahrer berichtete, seine Eltern aus Breslau seien hier in den 30er-Jahren getraut worden. Die Kirche steht auf einem Vorsprung mit herrlichem Blick in die Landschaften Niederschlesiens. Um die Kirche herum existieren noch einige restaurierte deutsche Gräber und Gräber polnischer Künstler, so das Grab des 2014 verstorbenen bedeutenden Dichters Tadeusz Różewicz, für den Karpacz (Krummhübel) ein Sehnsuchtsort war.
Am dritten Tag verließen wir den Ursprungsort des Stonsdorfer Kräuterlikörs und fuhren über Krzeszow (Grüssau) und Walim (Wüstewaltersdorf) in den Badeort Polanica (Altheide-Bad). In Grüssau, einem ehemaligen Zisterzienserkloster erwarten uns zwei grandiose Barockkirchen. Kirchenführer Marek brachte uns sehr kompetent die Unterschiede zwischen Barock und Elementen des Rokoko nahe. Nach der Säkularisation wurde Grüssau erst wieder nach 1918 von Benediktinern übernommen. Die aus Prag kommenden Mönche mussten Grüssau nach 1945 verlassen und 1947 nahmen Benediktinerinnen aus Lemberg den Klosterkomplex in Besitz. Höhepunkt ist das Mausoleum der Herzöge von Jauer. Die Sarkophage von Bolko III. stehen in dem weiträumigen barocken Raum fast verloren. Ergänzt durch barocke Figuren der Gattinnen des ausgestorbenen Geschlechts. Es gilt als das größte Mausoleum Europas. Wobei „Mausoleum“ wirklich irreführend ist. Der Raum strahlt in barocker Pracht und Großzügigkeit fast Heiterkeit aus.
Größer könnte der Kontrast zum riesigen Höhlensystem von Walim kaum sein. Wir betreten nur einen kleinen Teil dieses Produkts nationalsozialistischen Größenwahns. 5000 Opfer (vor allem Polen, Ukrainer und Russen) forderte dieser Bau, der bis in die letzten Kriegsmonate andauerte. Die Suche nach dem mysteriösen „Goldzug“ brachte in letzter Zeit vermehrt Touristen in dieses eigentlich idyllische Tal, dessen Idylle aber abrupt hinter den Eingangstüren der Höhlen endet. Eine schlichte Gedenkstätte mit einem römischem und einem orthodoxen Holzkreuz und eingerahmt mit der polnischen Flagge und einer Europafahne erinnert an die Toten.
Danach ging es weiter durch die lieblichen Landschaften des Eulengebirges. Eine Hinweistafel auf ein Museum in Neusorge über den Theologen Joseph Wittig (den „schlesischen Gottsucher“) lässt aufhorchen (das muss man sich das nächste Mal vornehmen). Wir erreichten das Villenviertel von Polanica-Zdrój (Altheide-Bad) und freuten uns an der Gepflegtheit dieses schönen Ortes. Besonders das Bädervillenviertel und der Kurpark machten großen Eindruck auf uns. Blumenrabatte, ein kleines Bädertheater, ein „Schachpark“, alte Bäume und immer wieder Durchblicke und Blickachsen auf wunderschöne Gründerzeitvillen. Wir bedauerten, dass wir nur eine Nacht bleiben konnten. Immerhin wurden einige Stunden Freizeit gerne von allen genutzt, um zu bummeln und einzukaufen. Abends war der Tisch liebevoll gedeckt und es entspannte sich nach dem Essen eine lebhafte Diskussion über Bildungspolitik in Polen und Deutschland, wobei einige mitfahrende Lehrer hier kritisch und sorgenvoll auf die deutsche Bildungspolitik der Zukunft schauten.
Sorgenvoll war auch der Blick auf die Politik des Nachbarlandes. Matthias Kneip, der durch seine Arbeit am Poleninstitut auch Interna kennt, kritisierte die PiS-Regierung in der Außen- und Justizpolitik, lobte aber durchaus die Innenpolitik, die in Deutschland „kaum wahrgenommen würde“. Hierbei nannte er die Sozialpolitik (Mindestlohn, Rentenpolitik, freie Medikamente für Senioren über 75 Jahre, Bankensteuer und natürlich das großzügige Kindergeld). Gleichzeitig berichtete er von „klimatischen“ Veränderungen in der Kulturpolitik und in der Politik gegenüber Europa und Deutschland. Hier wurde auch Widerspruch mit anderen Beispielen vorgebracht. Konsens konnte nicht überall hergestellt werden. Manche Gespräche wurden am nächsten Tag als Zwiegespräche fortgeführt. Es tauchte die Frage auf, warum man überhaupt so viel über Polens Politik spricht. „Wenn man an den Gardasee fährt oder nach Venedig, redet man auch nicht über Berlusconi, „Fünf Sterne“ und die Lega Nord.“ Möglicherweise wird sich dies nach der Regierungsbildung in Italien auch ändern? Manche Fragen müssen offen bleiben und die Beantwortung der Zukunft anheimgestellt werden.
Der nächste Tag gehörte der Friedenskirche in Świdnica (Schweinitz) und Krzyzowa (Kreisau), der internationalen Begegnungsstätte. Wer die Friedenskirchen betritt, ist jedes Mal vom Ausmaß, von der Kunstfertigkeit der barocken Ausstattung und dem Gesamteindruck überwältigt.
Auf dem Gut Kreisau (Gründungsort der NS-Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“) übernachteten wir im gut geführten Gästehaus mit ordentlichem Standard. Eine Führung, leider nicht mit dem verhinderten Leiter Herrn Kretschmann, sondern mit einem jungen Deutschen, der hier sein freiwillig-soziales Jahr macht, konnte nicht ganz überzeugen und ließ Tiefe vermissen. Gerade das „Berghaus“ (eine kleine Villa am Ende einer Allee vom Schloss herführend), in dem sich die Verschwörer um Helmut James Graf Moltke dreimal trafen, erfordert eine vertiefte Führung, wie ich sie schon einmal durch Herrn Kretschmann erfahren durfte). Trotzdem beeindruckte das Museum wie auch das gesamte Gelände, welches von jungen Menschen belebt wird. Der riesige Rasenplatz mit Bänken und zwei Fußballtoren, eingerahmt von den ehemaligen, heute schön hergerichteten Wirtschaftsgebäuden des gutes, erinnerte an den großen Campus einer Universität im angelsächsischen Raum. In lockerer Atmosphäre begegnen und verabreden sich hier die jungen Leute. Am Abend konnten wir noch spontan ein Konzert des fabelhaften Stockholmer „Maria Magdalena Kör“ in der Friedenskirche erleben. Diesmal war die Stimmung anders als nachmittags mit vielen Touristen. Die reinen Stimmen der Sängerinnen und Sänger erfüllten die riesige Kirche. Von der schönen Musik berührt kehrten wir in das nur wenige Kilometer entfernte Gut zurück.
Weiter ging es jetzt am vorletzten Tag Richtung Legnica (Liegnitz). Der Stadtführer Czesław Szarecki berichtete, er sei neben einer jungen Kollegin der letzte deutschsprachige Fremdenführer von Liegnitz. Nach dem Aussterben bzw. durch die ins reiseunfähige Alter kommenden Klientel der „Heimwehtouristen“ bleiben Städte wie Liegnitz, immerhin eine Großstadt, jenseits der großen Touristenstädte wie Breslau in Zukunft vielleicht links liegen. Eigentlich schade, denn die Stadt hat viel zu bieten. Beeindruckt waren wir von der großen Marienkirche (auch Liebfrauenkirche). Und so standen wir auf dem großen Kirchvorplatz mit Fahnen von Polen, Deutschland, Ukraine, Tschechien und Europa beflaggt. Die Kirche (ungewöhnlich für solch eine große Stadtkirche) ist immer noch evangelisch. Ein großes Banner zeugte vom Reformationsjubiläum. Der letzte deutsche Pastor Wolfgang Meißler verließ erst 1962 die Stadt, blieb aber seiner Heimat verbunden. Heute heißt der große Platz „Plac Pastora Wolfganga Maxa Meisslera“ (Pastor-Max-Wolfgang-Meißler-Platz).
Eigentümlich anmutend erlebten wir die Fahrt durch das Villenviertel, welches vier Jahrzehnte vom restlichen Legnica durch eine Mauer abgetrennt war. Hier lebte die Generalität der Sowjets und hier stand auch ihre Kommandozentrale (ein alter SS-Bau), in dem 1968 der Einmarsch in die CSSR geplant wurde. Zutritt für Polen war generell verboten. Wobei die einfach sowjetischen Soldaten in einem weiteren Kasernenghetto wiederum für sich lebten. In mancher der großzügigen Villen sind heute Hotels, so in der ehemaligen Villa des Pianofabrikanten Seiler (die Firma Seiler existiert noch heute in Kitzingen).
Nun folgten wieder zwei Stunden Fahrt bis Grünberg (Zielona Góra), Hauptstadt der Wojwodschaft Lebus. Um Grünberg herum hat sich nach Jahrzehnten der mutwilligen Zerstörung ab 1990 wieder eine Winzerszene etabliert. Wir besuchten das Weingut Miłosz des überaus sympathischen Winzers Krzysztof Federowicz. Er keltert nicht nur Wein, sondern schreibt auch Gedichte und veröffentlicht in renommierten Zeitungen. Der Weinkeller befindet sich neben dem urig-gemütlichen Wohnhaus unter Tage. Dornfelder, Zweigelt, Solaris und Weißburgunder werden angebaut. Über 30.000 Rebstöcke nennt er sein Eigen. Alles wird liebevoll gepflegt und inzwischen kann er auch einen Sekt anbieten, hergestellt mit Champagner-Methode. Auf polnisch heißt Sekt übrigens Szampan. Den Abend verbrachten wir in Grünberg – ebenfalls eine Stadt, die einiges zu bieten hat. Auffällig die zweisprachigen (deutsch/polnisch) Hinweisschilder im Zentrum. Nette Cafés rund um den Markt und lustige Bacchusfiguren, überall in der Altstadt verteilt, belebten die Szenerie.
Der Rückreisetag rückte heran. Wir hatten noch einen Termin im Keramikmuseum Bolesławiec. In der Stadt ist die berühmte Bunzlauer Keramik beheimatet. Vorher war noch Zeit für einen Stadtbummel. Die Stadt ist frisch und wunderbar restauriert. So macht sie einen besseren Eindruck als Jelenia Góra (Hirschberg). Schließlich wartete wieder der Bus mit Pan Roman, der uns sicher zurück nach Franken brachte. Matthias Kneip trug auch auf der Rückfahrt interessante, tiefsinnige und kurzweilige Auszüge aus seinen Büchern vor.
Eine Reise ging zu Ende, die jenseits der großen Touristenziele und jenseits der üblichen Reisegruppenbetreuung eigene Akzente setzte. Einige waren zum ersten Mal in Polen und waren begeistert von Land und Leuten. Vielleicht können diese Erinnerungen dazu beitragen, dieses so nahe und für viele doch so ferne Land jenseits der Neiße kennenlernen zu wollen.
Froben Schulz
Vorsitzender DPG Franken
Kommentar
REISE MIT DEM SCHRIFTSTELLER MATTHIAS KNEIP NACH NIEDERSCHLESIEN UND LEBUS
08. – 13. Mai 2018
Die Reise begann bei schönem Wetter am Nürnberger Busbahnhof. Pünktlich stieß die Ansbacher Gruppe zu uns und wir konnten abfahren. Gemeinsam waren wir 20 Mitfahrer aus Nürnberg und Umgebung und aus Ansbach und Umgebung. Ein Paar aus dem Taubertal hatte sich ebenfalls eingefunden. Unsere Reiseleiterin, Frau Ewa Keller-Wielopolska von der DPG Franken, führte die Reisegruppe souverän und immer gut gelaunt, dabei kenntnisreich durch die sechs Reisetage. Das Breslauer Busunternehmen mit dem freundlichen Busfahrer Roman erwies sich als Glücksfall. Auch auf den schmalsten Straßen in Polen fand er sich zurecht. Unvergessen bleibt ein Wendemanöver im Weinberg.
Matthias Kneip aus Regensburg, angestellt beim Poleninstitut Darmstadt und freier Schriftsteller, stellte sich im Bus vor und erfreute die Mitfahrer mit einigen Kapiteln aus seinen Büchern „11 Gründe Polen zu lieben“ (Schwarzkopf und Schwarzkopf) und „Reise in Westpolen“ (House of Poets), so dass die Fahrt sehr kurzweilig wurde.
Erstes Ziel war das Hirschberger Tal und die Schneekoppe. Allerdings hielten wir auf dem Weg in der „Welt des Dariusz Miliński“ in Pławna Dolna (Schmottseifen) an. Hier lebt und arbeitet der auf der ganzen Welt erfolgreiche Maler, der „nebenher“ ein Universum an Museen, Galerien und sein Großprojekt, die Arche Noah geschaffen hat. Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen, was einen an diesem Ort alles erwartet. In Erinnerung bleibt vielleicht doch am tiefsten sein Museum der Vertreibung. Ohne akademische Museumsdidaktik vereinigt er Hinterlassenschaften der Deutschen mit Gegenständen des Alltags, die die polnischen Vertriebenen aus Ostpolen mitbrachten. Die zufällige (?) Mischung der Dinge berührt auf eigenartige Weise den Betrachter und Besucher und wirkt um so authentischer. In seinem Archeprojekt, einem riesigen Holzschiff, versammelt er in einem weiteren Museum religiöse Volkskunst und religiöse Kultgegenstände aus Ost und West. Auch hier begegnen sich Gegenstände und veranlassen den Besucher, nachzudenken oder sich einfach berühren zu lassen von der Schönheit der Objekte. Es gibt auch ein Museum für Kinder. Hier können sie sich aktiv in historischen Werkstätten betätigen, zum Beispiel drucken.
Erste Hotelstation war Staniszów (Stonsdorf). Wir übernachteten die ersten beiden Tage stilvoll in sehr schönen Zimmern im ehemaligen „Schloss am Wasser“ (Pałac na Wodzie), welches ca. 2 km vom alten Stonsdorfer Schloss entfernt liegt (das ebenfalls ein Hotel ist). Das Hirschberger Tal besitzt soviel Schlösser und Paläste auf begrenztem Raum wie keine andere Gegend in Europa.
Eine kundige Stadtführerin begleitete uns zwei Tage mit Stadtführung in Jelenia Góra und am nächsten Tag zur Schneekoppe. In Jelenia Góra beeindruckte die evangelische Gnadenkirche. Die riesige Kirche wurde um 1690, 50 Jahre nach dem Bau der großen Friedenskirchen gebaut und dem Kaiser in Wien als „Gnade“ (sie zu bauen) abgekauft. Die Bauauflagen waren ähnlich denen der Friedenskirchen (einen Kanonenschuss vom Zentrum, kein Glockenturm u. a.).
Die Schneekoppe war vom Nebel verhüllt und auf dem Gipfel konnte man nur bis zur Baude schauen. Trotzdem ein einmaliges Erlebnis, in 1600 Meter Höhe dieses Mikroklima zu erleben (vergleichbar mit den Alpen auf 2300 Meter Höhe). Es schloss sich am Fuß der Schneekoppe die Besichtigung der Kirche Wang an, einer norwegischen Stabkirche, die im 19. Jahrhundert in Norwegen vor der Zerstörung gerettet und hier neu aufgebaut wurde. Ein Mitfahrer berichtete, seine Eltern aus Breslau seien hier in den 30er-Jahren getraut worden. Die Kirche steht auf einem Vorsprung mit herrlichem Blick in die Landschaften Niederschlesiens. Um die Kirche herum existieren noch einige restaurierte deutsche Gräber und Gräber polnischer Künstler, so das Grab des 2014 verstorbenen bedeutenden Dichters Tadeusz Różewicz, für den Karpacz (Krummhübel) ein Sehnsuchtsort war.
Am dritten Tag verließen wir den Ursprungsort des Stonsdorfer Kräuterlikörs und fuhren über Krzeszow (Grüssau) und Walim (Wüstewaltersdorf) in den Badeort Polanica (Altheide-Bad). In Grüssau, einem ehemaligen Zisterzienserkloster erwarten uns zwei grandiose Barockkirchen. Kirchenführer Marek brachte uns sehr kompetent die Unterschiede zwischen Barock und Elementen des Rokoko nahe. Nach der Säkularisation wurde Grüssau erst wieder nach 1918 von Benediktinern übernommen. Die aus Prag kommenden Mönche mussten Grüssau nach 1945 verlassen und 1947 nahmen Benediktinerinnen aus Lemberg den Klosterkomplex in Besitz. Höhepunkt ist das Mausoleum der Herzöge von Jauer. Die Sarkophage von Bolko III. stehen in dem weiträumigen barocken Raum fast verloren. Ergänzt durch barocke Figuren der Gattinnen des ausgestorbenen Geschlechts. Es gilt als das größte Mausoleum Europas. Wobei „Mausoleum“ wirklich irreführend ist. Der Raum strahlt in barocker Pracht und Großzügigkeit fast Heiterkeit aus.
Größer könnte der Kontrast zum riesigen Höhlensystem von Walim kaum sein. Wir betreten nur einen kleinen Teil dieses Produkts nationalsozialistischen Größenwahns. 5000 Opfer (vor allem Polen, Ukrainer und Russen) forderte dieser Bau, der bis in die letzten Kriegsmonate andauerte. Die Suche nach dem mysteriösen „Goldzug“ brachte in letzter Zeit vermehrt Touristen in dieses eigentlich idyllische Tal, dessen Idylle aber abrupt hinter den Eingangstüren der Höhlen endet. Eine schlichte Gedenkstätte mit einem römischem und einem orthodoxen Holzkreuz und eingerahmt mit der polnischen Flagge und einer Europafahne erinnert an die Toten.
Danach ging es weiter durch die lieblichen Landschaften des Eulengebirges. Eine Hinweistafel auf ein Museum in Neusorge über den Theologen Joseph Wittig (den „schlesischen Gottsucher“) lässt aufhorchen (das muss man sich das nächste Mal vornehmen). Wir erreichten das Villenviertel von Polanica-Zdrój (Altheide-Bad) und freuten uns an der Gepflegtheit dieses schönen Ortes. Besonders das Bädervillenviertel und der Kurpark machten großen Eindruck auf uns. Blumenrabatte, ein kleines Bädertheater, ein „Schachpark“, alte Bäume und immer wieder Durchblicke und Blickachsen auf wunderschöne Gründerzeitvillen. Wir bedauerten, dass wir nur eine Nacht bleiben konnten. Immerhin wurden einige Stunden Freizeit gerne von allen genutzt, um zu bummeln und einzukaufen. Abends war der Tisch liebevoll gedeckt und es entspannte sich nach dem Essen eine lebhafte Diskussion über Bildungspolitik in Polen und Deutschland, wobei einige mitfahrende Lehrer hier kritisch und sorgenvoll auf die deutsche Bildungspolitik der Zukunft schauten.
Sorgenvoll war auch der Blick auf die Politik des Nachbarlandes. Matthias Kneip, der durch seine Arbeit am Poleninstitut auch Interna kennt, kritisierte die PiS-Regierung in der Außen- und Justizpolitik, lobte aber durchaus die Innenpolitik, die in Deutschland „kaum wahrgenommen würde“. Hierbei nannte er die Sozialpolitik (Mindestlohn, Rentenpolitik, freie Medikamente für Senioren über 75 Jahre, Bankensteuer und natürlich das großzügige Kindergeld). Gleichzeitig berichtete er von „klimatischen“ Veränderungen in der Kulturpolitik und in der Politik gegenüber Europa und Deutschland. Hier wurde auch Widerspruch mit anderen Beispielen vorgebracht. Konsens konnte nicht überall hergestellt werden. Manche Gespräche wurden am nächsten Tag als Zwiegespräche fortgeführt. Es tauchte die Frage auf, warum man überhaupt so viel über Polens Politik spricht. „Wenn man an den Gardasee fährt oder nach Venedig, redet man auch nicht über Berlusconi, „Fünf Sterne“ und die Lega Nord.“ Möglicherweise wird sich dies nach der Regierungsbildung in Italien auch ändern? Manche Fragen müssen offen bleiben und die Beantwortung der Zukunft anheimgestellt werden.
Der nächste Tag gehörte der Friedenskirche in Świdnica (Schweinitz) und Krzyzowa (Kreisau), der internationalen Begegnungsstätte. Wer die Friedenskirchen betritt, ist jedes Mal vom Ausmaß, von der Kunstfertigkeit der barocken Ausstattung und dem Gesamteindruck überwältigt.
Auf dem Gut Kreisau (Gründungsort der NS-Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“) übernachteten wir im gut geführten Gästehaus mit ordentlichem Standard. Eine Führung, leider nicht mit dem verhinderten Leiter Herrn Kretschmann, sondern mit einem jungen Deutschen, der hier sein freiwillig-soziales Jahr macht, konnte nicht ganz überzeugen und ließ Tiefe vermissen. Gerade das „Berghaus“ (eine kleine Villa am Ende einer Allee vom Schloss herführend), in dem sich die Verschwörer um Helmut James Graf Moltke dreimal trafen, erfordert eine vertiefte Führung, wie ich sie schon einmal durch Herrn Kretschmann erfahren durfte). Trotzdem beeindruckte das Museum wie auch das gesamte Gelände, welches von jungen Menschen belebt wird. Der riesige Rasenplatz mit Bänken und zwei Fußballtoren, eingerahmt von den ehemaligen, heute schön hergerichteten Wirtschaftsgebäuden des gutes, erinnerte an den großen Campus einer Universität im angelsächsischen Raum. In lockerer Atmosphäre begegnen und verabreden sich hier die jungen Leute. Am Abend konnten wir noch spontan ein Konzert des fabelhaften Stockholmer „Maria Magdalena Kör“ in der Friedenskirche erleben. Diesmal war die Stimmung anders als nachmittags mit vielen Touristen. Die reinen Stimmen der Sängerinnen und Sänger erfüllten die riesige Kirche. Von der schönen Musik berührt kehrten wir in das nur wenige Kilometer entfernte Gut zurück.
Weiter ging es jetzt am vorletzten Tag Richtung Legnica (Liegnitz). Der Stadtführer Czesław Szarecki berichtete, er sei neben einer jungen Kollegin der letzte deutschsprachige Fremdenführer von Liegnitz. Nach dem Aussterben bzw. durch die ins reiseunfähige Alter kommenden Klientel der „Heimwehtouristen“ bleiben Städte wie Liegnitz, immerhin eine Großstadt, jenseits der großen Touristenstädte wie Breslau in Zukunft vielleicht links liegen. Eigentlich schade, denn die Stadt hat viel zu bieten. Beeindruckt waren wir von der großen Marienkirche (auch Liebfrauenkirche). Und so standen wir auf dem großen Kirchvorplatz mit Fahnen von Polen, Deutschland, Ukraine, Tschechien und Europa beflaggt. Die Kirche (ungewöhnlich für solch eine große Stadtkirche) ist immer noch evangelisch. Ein großes Banner zeugte vom Reformationsjubiläum. Der letzte deutsche Pastor Wolfgang Meißler verließ erst 1962 die Stadt, blieb aber seiner Heimat verbunden. Heute heißt der große Platz „Plac Pastora Wolfganga Maxa Meisslera“ (Pastor-Max-Wolfgang-Meißler-Platz).
Eigentümlich anmutend erlebten wir die Fahrt durch das Villenviertel, welches vier Jahrzehnte vom restlichen Legnica durch eine Mauer abgetrennt war. Hier lebte die Generalität der Sowjets und hier stand auch ihre Kommandozentrale (ein alter SS-Bau), in dem 1968 der Einmarsch in die CSSR geplant wurde. Zutritt für Polen war generell verboten. Wobei die einfach sowjetischen Soldaten in einem weiteren Kasernenghetto wiederum für sich lebten. In mancher der großzügigen Villen sind heute Hotels, so in der ehemaligen Villa des Pianofabrikanten Seiler (die Firma Seiler existiert noch heute in Kitzingen).
Nun folgten wieder zwei Stunden Fahrt bis Grünberg (Zielona Góra), Hauptstadt der Wojwodschaft Lebus. Um Grünberg herum hat sich nach Jahrzehnten der mutwilligen Zerstörung ab 1990 wieder eine Winzerszene etabliert. Wir besuchten das Weingut Miłosz des überaus sympathischen Winzers Krzysztof Federowicz. Er keltert nicht nur Wein, sondern schreibt auch Gedichte und veröffentlicht in renommierten Zeitungen. Der Weinkeller befindet sich neben dem urig-gemütlichen Wohnhaus unter Tage. Dornfelder, Zweigelt, Solaris und Weißburgunder werden angebaut. Über 30.000 Rebstöcke nennt er sein Eigen. Alles wird liebevoll gepflegt und inzwischen kann er auch einen Sekt anbieten, hergestellt mit Champagner-Methode. Auf polnisch heißt Sekt übrigens Szampan. Den Abend verbrachten wir in Grünberg – ebenfalls eine Stadt, die einiges zu bieten hat. Auffällig die zweisprachigen (deutsch/polnisch) Hinweisschilder im Zentrum. Nette Cafés rund um den Markt und lustige Bacchusfiguren, überall in der Altstadt verteilt, belebten die Szenerie.
Der Rückreisetag rückte heran. Wir hatten noch einen Termin im Keramikmuseum Bolesławiec. In der Stadt ist die berühmte Bunzlauer Keramik beheimatet. Vorher war noch Zeit für einen Stadtbummel. Die Stadt ist frisch und wunderbar restauriert. So macht sie einen besseren Eindruck als Jelenia Góra (Hirschberg). Schließlich wartete wieder der Bus mit Pan Roman, der uns sicher zurück nach Franken brachte. Matthias Kneip trug auch auf der Rückfahrt interessante, tiefsinnige und kurzweilige Auszüge aus seinen Büchern vor.
Eine Reise ging zu Ende, die jenseits der großen Touristenziele und jenseits der üblichen Reisegruppenbetreuung eigene Akzente setzte. Einige waren zum ersten Mal in Polen und waren begeistert von Land und Leuten. Vielleicht können diese Erinnerungen dazu beitragen, dieses so nahe und für viele doch so ferne Land jenseits der Neiße kennenlernen zu wollen.
Froben Schulz
Vorsitzender DPG Franken
Reiseschutz-versicherung
Gehen Sie auf Nummer sicher mit einer Reiseschutz-Versicherung. Alle Infos dazu finden Sie >>hier.
Behindertengerechtes Zimmer
Es ist ein Zimmer für Menschen mit Behinderung / Rollstuhlfahrer vorhanden.
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Bürgerreise in die polnische Partnerstadt Krakau
Bürgerreise zum 45. Jährigem Partnerschaftsjubiläum nach Krakau. Termin: 20.06.-24.06.2024. Die Reise wird in einem sehr kleinen Rahmen (max. 20 Personen) durchgeführt.
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