Listen to „04 – Polnische Verführungen aus Breslau mit Norbert Kulpiński“ on Spreaker.

Heute sprechen wir mit unserem neuen Freund und Stadtführer in Breslau Herrn Norbert Kulpinski. Es geht um Breslau und die Umgebung. Aufgrund der Corona Vorschriften trinken wir 550km entfernt von einander Tee und telefonieren. Meines Wissens nach gibt es keine Studienrichtung in Polen – übrigens in Deutschland auch nicht – für Guides oder Reiseleiter. Ich weiß es gibt einen Studiengang für Touristik, aber wie wird man denn ein Stadtführer in Breslau? Dein Weg zu diesem Beruf würde mich und unserer Zuhörer interessieren. Bist du ein Breslauer? Wo hast du so gut Deutsch gelernt? Macht es dir viel Freude, Menschen durch Breslau zu begleiten?

Norbert Kulpinski

Ich stamme aus Bolkenhain in Niederschlesien. Das Städtchen liegt etwa 80 km von Breslau entfernt, also schon als Kind war ich mit meinen Eltern mehrmals in Breslau. In den 90er Jahren habe ich mein Studium in Breslau begonnen. Schon damals habe ich festgestellt, dass ich mein Leben mit dieser Stadt verbinden will. Die Atmosphäre der Stadt hat mich so fasziniert, ihre Lebendigkeit, Offenheit, Architektur und Entwicklung. Ich habe Germanistik studiert, deswegen habe ich mich schon damals für deutsch-polnische Beziehungen interessiert und weil Breslau, wie ganz Schlesien, solche faszinierende Geschichte hat, war diese Entscheidung für mich selbstverständlich. Ein wichtiger Grund für das Leben in Breslau (vielleicht der wichtigste) war die Tatsache, dass meine damalige Freundin -jetzt meine Frau – gebürtige Breslauerin ist.

Das bedeutet aber nicht, dass ich meine kleine Heimatstadt nicht liebe. Im Gegenteil. Ich mag Breslau und Bolkenhain. Ich habe fast zehn Jahre als Deutschlehrer gearbeitet und habe beschlossen, Stadtführer in Breslau zu werden. Ich habe mir gedacht, Mensch… Du liebst diese Stadt, sprichst Deutsch, vielleicht wäre das eine tolle Idee den deutschen Gästen die Schönheit der Stadt zu zeigen und über die Geschichte zu erzählen. Ehrlichgesagt haben meine Frau und Eltern mich dabei stark unterstützt.

Am Anfang habe ich unterrichtet und die Stadtführungen nebenbei gemacht. Danach habe ich festgestellt, dass die Touristen viel artiger als die Schüler sind, deswegen habe ich mich für die Arbeit des Stadtführers entschieden:-) Das ist doch nur Spaß…

Ist es ein Privileg, ein Stadtführer in Breslau zu sein?

Ja, es ist wirklich ein Privileg, der Stadtführer in Breslau zu sein. Man kann den Gästen imposante, reizvolle Baudenkmäler zeigen, viele interessante Leute kennenlernen und dabei sehr zufrieden sein. Wenn deine Arbeit zugleich dein Hobby ist…Was kann im Leben schöner sein?

Diese Arbeit ist so abwechslungsreich, du weißt nie, was an jedem Tag passiert.

Mit der Stadt sind so viele berühmte Menschen verbunden und wenn du an einem Haus vorbeigehst, und sagst: „Hier wohnte Dietrich Bonhoeffer oder hier studierte Edith Stein“, dann sind die meisten Touristen sehr überrascht und begeistert, weil sie z.B. in dem Ort aus dem sie kommen ein Edith-Stein-Gymnasium haben.

Unsere Gäste fühlen sich in Breslau wohl, was sie auch immer betonen und wenn du die Menschen betreust, die gute Laune haben, das kann nur Spaß machen.

Viele unsere Gäste haben schlesische Wurzeln, viele von ihnen sind regelmäßig in Breslau und wenn du von ihnen hörst, dass Breslau immer schöner aussieht, dann kannst du nur stolz auf die Stadt sein.

Als Breslauer Stadtführer musst du – Norbert – alle Arten von Routen kennen. Wünscht sich ein Kunde eine Route entlang der Oder, durch die Altstadt, auf jüdische Spuren, kulturelles Breslau, wissenschaftliche Stadt, Architektonisches Breslau, Krimi Spuren von Krajewskis Begeisterte oder weiss der Kuckuck welche Route noch, du machst es.  Gibt es unter all den Routen, eine, die dir besonders am Herzen liegt?

Wir haben sehr viele wunderschöne Ecken in Breslau :das ehemalige jüdische Viertel- heute Viertel der gegenseitigen Achtung- mit seinen vier Gotteshäusern und einer einzigartigen magischen Stimmung. Ich mag den prachtvollen Ring (Marktplatz) mit seinen imposanten Patrizierhäusern. Das schöne alte Rathaus zieht mit seiner reich verzierten Fassade die Blicke der Touristen auf sich. Auf diesem Platz pulsiert das Leben Tag und Nacht. Dazu noch Straßenkünstler und ab und zu verschiedene Veranstaltungen. Hochinteressant ist auch das Hauptgebäude der Universität mit dem weltberühmten Festsaal Aula Leopoldina. Auf jeden Fall muss man in der alten Markthalle einkaufen oder mit dem Schiff zur Jahrhunderthalle fahren. Der japanische Garten, der sich neben der Halle befindet, macht einen starken Eindruck, nicht nur auf Gartenliebhaber und der Multimedia-Brunnen gleich daneben beeindruckt mit fantastischen Beamer-Shows.

Ich liebe auch die Stadtrundfahrt mit dem Rad. Du fährst an der Oder entlang und durch schöne Parkanlagen. Während dieser Radtour kannst du wirklich viel mehr sehen als während der klassischen Stadtrundfahrt mit dem Bus.

Aber meine Lieblingsroute in der Altstadt führt durch die Sandinsel zum Dom. Sie ist vor allem am Abend so märchenhaft, wenn die Gaslaternen mit ihrem warmen, romantischen Licht das Erscheinungsbild der Dominsel prägen. Dort ist es abends so ruhig, obwohl du mitten im Stadtzentrum bist.

Wunderschöne Kirchen und andere Gebäude sind so schön beleuchtet, du fühlst dich wirklich wie im Märchen.

Manchmal ist es nicht einfach ein Stadtführer zu sein. Touristen sind nicht immer freundlich. Ich weiß als professioneller Stadtführer kannst du gut mit verschiedensten Menschen umgehen. Was sind deine Erfahrungen in dieser Hinsicht?

Als Stadtführer lernt man eigentlich den kompletten Querschnitt der Gesellschaft kennen: Schüler, Studenten, Handwerker, Geschäftsleute, Akademiker usw. Manchmal sind die Fragen banal, manchmal sehr schwierig. Das Wichtigste: man soll immer alle Fragen ernst nehmen und kompetent beantworten. Es gibt natürlich auch Gäste, die ihr Wissen mit dem Wissen des Stadtführers konfrontieren wollen. Und mit dem Handy ist das jetzt viel einfacher. Mir ist das auch passiert, aber in den meisten Fällen hatte ich Recht.

Manchmal erfährst du von solchen persönlichen Geschichten, dass du eine Gänsehaut bekommst. Das sind vor allem Geschichten, die die ehemaligen Breslauer oder ihre Verwandten erzählen. Wir suchen ehemalige Elternhäuser oder Schulen und werden oft von den heutigen Hausbesitzern zum Kaffee und Kuchen eingeladen.

Meine frühere Erfahrung als Lehrer ist bei der Arbeit des Stadtführers sehr behilflich.

Die Gäste spüren es wahrscheinlich auch, weil wenn wir die Stadtrundfahrt am Hotel beginnen und die erste Station an der Jahrhunderthalle erreichen, dann fragen die meisten beim Aussteigen, ob ich ein Lehrer von Beruf bin.

Manchmal wirst du durch den Fragesteller angegriffen, was mir aber selten passiert ist.

Wenn die Gäste es bemerken, dass du mit viel Freude arbeitest, dann ist die Stimmung gut und locker. Mit vielen Gästen bin ich schon seit Jahren befreundet und das finde ich toll.

Welche Tagesausflüge ab Breslau würdest Du empfehlen? Die durch den polnischen Teil des Riesengebirges oder das Glatzer Bergland mit seinen eindrucksvollen Naturlandschaften? Welche Highlights der Region Niederschlesien sollte man auf keinen Fall verpassen?

Ich persönlich lege den Reisebegeisterten gern die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Friedenskirchen in Schweidnitz (Świdnica) und Jauer (Jawor) ans Herz. Mich berührt der Gegensatz aus schlichter Fachwerkfassade und prächtiger Innenausstattung. Und du? .

Auf jeden Fall. Breslau und Niederschlesien haben sehr viel zu bieten. Wie gesagt, nicht nur schöne Sehenswürdigkeiten, sondern auch interessante, gastfreundliche Menschen und leckere Küche. Fast alle Touristen, die bei uns zum ersten Mal sind, sind sehr begeistert und wollen unsere Stadt ihren Freunden und Bekannten unbedingt empfehlen. Sehr oft fahre ich mit den Gästen nach Schweidnitz und Waldenburg, wo sie die wunderschöne Friedenskirche und das größte Schloss in Schlesien bewundern. Häufig fahren wir ins Riesengebirge, um den Rübezahl zu begrüßen. Wir haben auch Gruppen, die nach Trebnitz zum Grab der heiligen Hedwig von Schlesien pilgern wollen.

Die Stadt selbst kann man auf angenehme Weise erkunden. Wir laufen zu Fuß durch die Altstadt, fahren mit dem Bus oder Boot zur Jahrhunderhalle. Im Sommer macht die Stadtrundfahrt mit einer alten historischen Straßenbahn viel Spaß und viele Kunden entscheiden sich auch für eine Segway- oder Radtour.

Wir nehmen unser Leben mit allen unseren Sinnen wahr. Ich erinnere mich gern an meine Reisen. Dabei schwelge ich in Landschaften, Gerüchen, überraschenden Denkmälern, besonderen Momenten. Für mich zählt zu einer guten Reise auch gutes Essen. Wo kann man in Breslau lecker Essen?

In Breslau gibt es viele Restaurants. Jeder findet hier etwas: von den kleinen stimmvollen Cafés und Restaurants im alten jüdischen Viertel wie z.B. Mleczarnia, zu den großen noblen Restaurants auf dem Ring, wie Dwór Polski oder Spiż. Es gibt auch die sogenannten Milchbars, die sehr preiswert polnische Spezialitäten anbieten wie Pierogi ( Maultaschen), Żurek (saure Mehlsuppe) und Gołąbki (Kohlroulade). Da essen vor allem viele Studenten aber nicht nur. Es gibt auch einige Brauereien, wo man Bier verkosten kann.

In der Markthalle kann man ebenfalls leckere Kleinigkeiten essen bzw. gute polnische Wurst kaufen.

Jetzt wegen Corona sind viele von diesen Restaurants geschlossen aber ich hoffe, dass sie diese Pandemie überleben.

Wir werden satt sein, weil wir nach deinen Empfehlungen z.B. das Restaurant Dwór Polski besucht haben und dort gutes Bier getrunken haben. Jetzt bleibt uns noch etwas Zeit, um etwas kleines als Erinnerung zu besorgen. Was glaubst du, wo finden wir ein schönes Souvenir?

Es gibt eigentlich viele kleine Souvenirläden auf dem Rynek (Hauptmarkt), die interessante Kleinigkeiten anbieten. Um das Rathaus herum befinden sich Geschäfte, die z.B. kleine Zwergenfiguren anbieten. Warum gerade Zwerge? Weil sie Wahrzeichen unserer Stadt sind und an den Kampf gegen das kommunistische Regime in den 80er Jahren erinnern.

Sehenswert ist eine kleine Künstlergasse, wo man früher Handel mit Fleisch betrieb. Da, wo früher die Fleischer daheim waren, findest du heute kleine Künstlergalerien.

Wie kommst du während der Corona Zeit zurecht?

Jetzt erleben wir eine sehr schwere Zeit. Viele Menschen, die sich mit der Touristik beschäftigen sind arbeitslos geworden bzw. haben schon einen anderen Job. Eine Menge von meinen Bekannten unterrichtet jetzt in der Schule. Ich habe jetzt mehr Zeit für meine Familie, koche viel und genieße das Leben. Ich bin ein kleiner Optimist und hoffe, dass viele Gäste aus Deutschland uns im Sommer besuchen werden.

 

Vielen Dank lieber Norbert für so viele Tipps und Informationen von einem Insider!

Es war mir eine große Freude, dass du als kompetenter, sympathischer, optimistischer, und interessanter Mensch heute so viel Zeit für mich und unseren Podcast gefunden hast.

Uns allen wünscht unser Unternehmen Polenreisen und Informationszentrum der Stadt Krakau aus Nürnberg Normalität, viel Gesundheit und dass wir uns bald in Breslau wieder treffen! Für Kommentare, Anregungen oder Fragen schreiben Sie uns gerne unter info@polenreisen-nuernberg.de. 

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