Orgelmusik aus Polen

Autor: Maria Jajte

15. August 2021

Sie schreibt enthusiastisch über polnische Kultur und Kunst und andere Themen

Vor nicht allzu langer Zeit erfuhr ich überraschend in einem Gespräch mit Dorota und Wojciech, meinen polnischen Freunden aus Krakau/Kraków, dass ihr letztes wichtiges Erlebnis vor Corona das Konzert „Modlitwa o pokój“/“Gebet für den Frieden“ in der Krakauer Augustinerkirche St. Katharina von Alexandrien war. Dieses Konzert war ein Teil einer von unserer Firma organisierten Tournee in Polen. Maestro Susunu Ueda trat mit dem ungewöhnlich vielstimmigen Chor Requiem bestehend aus 130 Chorsängern:inen, auf. Sie sangen für zahlreiche Menschen in Schweidnitz/Świdnica, in Krakau/Kraków und auch in Warschau/Warszawa. Diese Konzerte feierten den 100. Jahrestag der Unterzeichnung der diplomatischen Beziehungen zwischen Polen und Japan.

Was dieses Ereignis für mich bedeutete?

Gewiss, es war eine Herausforderung, die für mich völlig neu war. Am Anfang standen viele Überlegungen, gepaart mit zahlreichen Empfindungen, die mit dem persönlichen Erleben vieler Orgelkonzerte verbunden waren.

Damals, am 23.10.19, war ich in Schweidnitz/Świdnica und lernte Herrn Maciej Bator, den Organisten persönlich kennen. Er würde den Maestro und seinen Chor begleitet. Diese Begegnung wurde zum Beginn meines ganz eigenen Schweidnitz/Świdnica -Abenteuer!

Viele Begegnungen mit interessanten und freundlichen Menschen ließen diese Zeit zu einer sehr besonderen werden:

Ich kannte den Herrn Waldemar Pytel, von früher, als er noch nicht so eine große Verantwortung hatte, damals als Priester, heute ist er Bischof.

Ebenfalls kenne ich Frau Lucyna Zak.

Ich hörte von Frau Zuzanna Bator, selbst Organistin sowie Kollegin und Ehefrau von Herrn Maciej Bator, der als Organist der Friedenskirche wirkt.

Außerdem traf ich über das Internet den Maler Herrn Robert Kukle, der neben Wandmalereien in Schweidnitz/Świdnica auch andere Werke schuf.

Heute möchte ich Ihnen dieses außergewöhnliche musikalische Paar vorstellen, Frau Zuzanna und Herr Maciej Bator. Wahre Experten im Bereich der polnischen Orgelmusik.

Guten Tag:

Ich freue mich sehr, dass Sie die Zeit gefunden haben, sich mit mir zu treffen. Ich habe ein paar Fragen, auf sie beiden beantworten können. Für mich, eine Musikliebhaberin und Bauingenieurin😊 von Beruf, ist die Stille, das Faszinierende in der Musik. Es klingt vielleicht ungewöhnlich! Jedoch ohne die Stille gibt es keine Chance für die Entzückung, die durch die Kunst des Musikers ausgelöst wird, in dem er diese Stille bricht, in Ihrem Fall mit Ihrem Orgelspiel. Ich habe einmal Stefan Chwins „Krótka historia pewnego żartu sceny z Europy Srodkowoeuropejskiej“ /„Eine kurze Geschichte eines gewissen Witzes Szenen aus Mittel- und Osteuropa“, gelesen, in dem der Autor seine eigenen Erfahrungen als kleiner Junge in der berühmten Kathedrale von Oliwa beschreibt. Damals habe ich lange überlegt, wie es sein kann, dass ein Mädchen oder ein Junge das Orgel-Spiel erlernen will. Kein Klavier, keine Violine, sondern die Orgel. Und was war Ihr Weg, dieses Instrument kennenzulernen und es zu „zähmen“? Verzauberung?

Maciej: Am Anfang war tatsächlich eine Verzauberung der Wunsch, ein Geheimnis zu entdecken, an einen Spieltisch zu gelangen, die für Zuhörer oft unsichtbar ist. Ich habe schon als Teenager angefangen in der Kirche zu spielen. Erst voller Angst, dann immer mutiger, die Möglichkeiten der Orgel nutzend. Bis heute habe ich aber nicht das Gefühl, dass es mir gelungen ist, die Orgel zu zähmen.

Zuzanna: Ich habe auch als Teenager angefangen Orgel spielen zu lernen, als Schülerin einer Musikschule. Als ich mein erstes Konzert in der Kirche auf Ostrów Tumski in Breslau/ Wrocław (der Dom Insel) spielte, spürte ich, wie aufregend dieses Instrument ist, dass das große Kirchenschiff zum Vibrieren bringt.

Wie sieht der musikalische Weg für Organisten in Polen aus? Wann müssen sie anfangen, dieses Instrument zu lernen? Und wo werden die zukünftigen Musiker ausgebildet?

Maciej: Diese Wege können unterschiedlich sein. Die meisten Konzertorganisten beginnen mit dem Lernen in der Kindheit, indem sie eine erste und dann eine zweite Stufe der Musikschule besuchen. Zunächst lernen sie das Klavierspiel, nach einigen Jahren konzentrieren sie sich hauptsächlich auf die Orgel. Staatliche Musikschulen sind bekannt für das hohe Niveau des Instrumental- und Musikunterrichts, sie fordern aber auch viel Engagement und Einsatz.

Zuzanna: Bei mir war es so: Ich habe mit 5 Jahren angefangen Klavier zu spielen. Dann folgte die Musikschule 1. Grades (Klavier) 2. Grades (Orgel), die Musikakademie in Kattowitz/Katowice und ein Aufbaustudium in Stuttgart.

Maciej: Als ich 7 Jahre alt war, wollte ich nicht zur Musikschule gehen. Erst mit 12 Jahren habe ich angefangen, gleich auf der Orgel zu spielen. Ich wurde „mit Zuversicht“ in die weiterführende Musikschule aufgenommen. Eigentlich geht man davon aus, dass 6 Jahre für das Erlernen der Spieltechnik notwendig sind. Nach meinem Diplom durfte ich in Warschau studieren. Wie Zuzanna ging auch ich zum Aufbaustudium nach Stuttgart. Obwohl wir schon als Kinder angefangen haben zu spielen, sind wir der Meinung, dass es nie zu spät ist, mit dem Erlernen des Orgelspiels zu beginnen.

Wie viele Organist:inen gibt es in Polen? Wieviele davon sind Frauen? Wer sind Ihre Idole?

Zuzanna: Die Facebook-Gruppe der Kirchenorganisten, die ich betreue, zählt 2300 Teilnehmer. Ich denke, es gibt wahrscheinlich Zehntausende, darunter wohl Dutzende von Konzertorganistinnen. Mit vielen von ihnen bin ich befreundet.

Macht Sie das Spielen einer Orgel glücklich? Haben Sie das Gefühl, während eines Sinfoniekonzertes in einer Kirche ein Geheimnis zu lüften? Empfinden Sie bei der Arbeit nicht eine große Verantwortung für die Zuhörer:innen, wenn die Töne der Orgel so vielfältig und oft überwältigend auf Ihr Publikum wirken?

Zuzanna: Wir sind glückliche Menschen, weil uns unsere Arbeit viel Freude bereitet. Wir lieben es, die Orgel zu spielen und es macht uns richtig glücklich. Jeder von uns legt den Schwerpunkt auf etwas anderes. Ich bin am glücklichsten, wenn ich Konzerte für das Publikum spiele. Ich mag diesen Moment, wenn ich den tosenden Applaus höre. Maciej liebt die Liturgie mit einer großen vokal-instrumentalen Besetzung. Chor, Solisten, Orchester – aber nicht bei einem Konzert, sondern während des Gottesdienstes. Am glücklichsten ist er, wenn nach schöner Musik Stille herrscht und dann Worte des Gebets vom Zelebranten gesprochen werden.

Die größte Orgel in Europa befindet sich, wenn ich mich nicht irre, in Passau/Pasawa und hat 233 Stimmen und wahrscheinlich Zwölftausend Pfeifen. In Polen, ich weiß es aus dem Podcast von Frau Zuzanna, steht sie in Licheń Stary. Sagen Sie uns bitte, welche Art von Orgeln die Friedenskirche in Schweidnitz/Świdnica beherbergt?

Maciej: In der Friedenskirche gibt es zwei Instrumente. Eine 60-stimmige symphonische Schlag&Söhne-Orgel mit pneumatischer Traktur und eine 15-stimmige 300 Jahre alte mechanische Orgel. Das Ungewöhnliche daran ist, dass diese beiden Instrumente völlig unterschiedlich gebaut sind. Dadurch haben wir die Möglichkeit, zwei völlig unterschiedliche Epochen zu berühren.

Beflügelt es Sie, den gleichen Beruf auszuüben oder ist es lästig? Möchte ein Künstler nicht immer selbst der Beste sein?

Zuzanna: Bei uns ist es eine wahre Zusammenarbeit. Obwohl ich keinen Organisten als Ehemann haben wollte (lacht), kann ich mir jetzt nicht vorstellen, mein Leben mit jemandem zu teilen, der etwas ganz anderes macht.

In welchen Schuhen spielen Sie?

Zuzanna: Maciej kann sogar in Gummistiefeln spielen (lacht).

Maciej: Meine ergonomische Spieltechnik erlaubt es mir, mich wohl zu fühlen, egal welche Art von Schuhen ich trage.

Zuzanna: Ich habe 3 Paar Orgelschuhe: aus Breslau, aus Italien und aus Los Angeles. Das erste Paar wurde von einem Tanzschuhhersteller maßgefertigt, das 2. und 3.waren Geschenke von Fans auf Instagram.

Wie hat Corona Ihre Arbeit und Ihr Leben beeinflusst?

Maciej: Dank der Corona-Pandemie wurden wir motiviert, endlich mit dem Online-Orgel-Kursen zu beginnen. Wir haben gerade die erste Ausgabe des Lehrngangs „Harmonizuj, improwizuj, wariuj“ / „harmoniziere, improvisire, variere“ beendet. Ziel dieses Kurses ist es, angehenden Organisten beizubringen, Kirchenlieder selbst zu erarbeiten und zu improvisieren – ihre Kompositionen „live“ zu gestalten. Bald werden wir mit den nächsten Kursen starten. Der Erste wurde von 50 Studenten besucht.

Zuzanna: Mit unserer Stiftung für Gute MusiK/ Fundacja Dobrej Muzyki haben wir die Konzerte ins Internet verlegt – es hat sich gezeigt, dass dieser Weg sehr gut funktioniert. Einige der Konzerte haben wir aufgezeichnet und übertragen, andere fanden unter Corona-Bedingungen und als Live-Übertragung statt. Wir lernten viel über den Aufnahmen, Schneiden und Übertragen von Filmen und jetzt übertragen wir jedes Konzert ins Internet, sogar von unseren Handys aus.

Wie kann man Sie finden? Wo kann man Ihre CDs kaufen und welche Stücke sind Ihnen am liebsten?

Zuzanna: Wir übertragen Konzerte auf Facebook – auf dem Facebook Profil der Stiftung für Gute MusiK/Fundacja Dobrej Muzyki und auf meinem Profil. Auf der YouTube-Seite der Stiftung gibt es viele Aufnahmen von den Konzerten, die wir spielen und veranstalten.

Maciej: Wir haben zwei CDs aufgenommen – „Orgel Bazyliki Wniebowzięcia NMP in Bardo” „The organ of the Basilica of the Assumption of the Blessed Virgin Mary in Bardo“ und „Anioły wracają do gry“ „The Angels are back in action“. – die Orgel der Friedenskirche in Schweidnitz/Świdnica. Diese können Sie in der Friedenskirche in Schweidnitz/Świdnica kaufen oder direkt bei uns bestellen.

Zuzanna: Am liebsten spiele ich Musik der Romantik und des 20. Jahrhunderts – französische Komponisten wie Widor, Vierne, Messiaen…

Maciej: Ich spiele am liebsten die Musik des niederländischen zeitgenössischen Komponisten Bert Matter sowie von polnischen Meistern: Mikołaj aus Krakau, Adam Jarzębski und Mikołaj Gomółka.

Ich weiß, dass es viele Initiativen gibt, die Sie beiden führen, bitte erzählen Sie uns ein wenig darüber?

Zuzanna: Seit 10 Jahren betreiben wir die Stiftung für gute Musik in Świdnica /Fundacja Dobrej Muzyki. Die Stiftung lehrt ein besseres Verständnis für Orgelmusik. Wir veranstalten Konzerte, Orgelfestivals, Bildungsveranstaltungen und verschieden Treffen. Wir haben bereits über 130 Konzerte in Niederschlesien organisiert. Das wichtigste Projekt unserer Stiftung ist das nach Christian Schlag benannte „Miedzynarodowy Festiwal Organowy“ Internationale Orgelfestival. Wir wollen Instrumente fördern, die in Schweidnitz/Świdnica, in der Orgelfabrik Schlag&Söhne hergestellt wurden. Wir planen, ein virtuelles Christian-Schlag-Center aufzubauen und diese ungewöhnlichen Instrumente multimedial zu präsentieren. Dank der Spender und Musikliebhaber, die unsere Stiftung großzügig unterstützen, wird dies möglich sein. Dank ihnen können wir uns weiterentwickeln und das ganze Jahr über arbeiten. Wir hoffen, dass der Kreis der Freunde guter Musik, sowie Spender, die uns regelmäßig unterstützen, weiter wächst und es uns möglich sein wird, den Auftrag der Stiftung noch effektiver zu erfüllen. Außerdem betreiben wir die Online-Kurse.

Beschäftigen Sie sich auch mit Kompositionen?

Maciej: Obwohl es nicht der Hauptteil unseres Geschäfts ist, müssen wir ein paar Mal im Jahr verschiedene Arrangements und Kompositionen vorbereiten. Meistens werden sie für bestimmte Anlässe erstellt. Im Jahr 2019 habe ich im Rahmen des Stipendiums des Bürgermeisters von Schweidnitz/Świdnica 80 Arrangements für ein Glockenspiel geschrieben…. Auch größere liturgische Feiern in der Friedenskirche sind Anlässe zur Komposition.

Darf ich Sie um einen Auszug aus einem Lieblingslied für unsere Leser bitten? Ich stelle Links zu den Aufnahmen zur Verfügung.

Zuzanna: Ich mag besonders die VI. Symphonie von Widor, sowie die Toccata in F-major von Johan S. Bach.

Maciej: Ich finde Bach auch großartig, besonders die Fuga im G-moll. Besonders gerne mag ich unsere Interpretationen aus der Reihe Niech to SCHLAG.
Ich weiß, dass Sie eine schöne Familie haben. Drei Jungs, richtig? Wie bringen Sie Ihr Familienleben mit Ihrem Berufsleben in Einklang? Spielen die Jungs schon die Orgel?

Zuzanna: Wir haben drei Söhne, den acht Jahre alten Bernard, den sechs Jahre alten Leonard und den einjährigen Henryk. Beim Spielen von Konzerten nutzen wir die Hilfe des Kindermädchens und der Großeltern. Manchmal nehmen wir die Kinder mit auf Konzertreisen, die Älteren können sich unsere Konzerte bis zum Ende anhören, aber auf den Kleinen muss aufgepasst werden.

Maciej: Wir haben eine Menge Arbeit, aber wir versuchen, Zeit für die Kinder zu finden. Manchmal beziehen wir sie in unsere Projekte mit ein. Letztes Jahr habe ich ein Konzert in Deutschland mit Bernard und in der Schweiz mit Leonard gespielt. Die Jungs lernen mit mir zu spielen und wir hoffen, dass sie bald regelmäßig Konzerte mit uns geben werden. Aber nur, wenn es ihnen Spaß macht.

Ist es möglich, Konzerte mit Ihrer Beteiligung zu bestellen und zu organisieren?

Maciej: Definitiv ja – sprechen Sie uns einfach an. Wir spielen gerne überall dort Konzerte, wo es eine Orgel und echte Musikliebhaber gibt!

Gibt es ein Instrument auf der Welt, von dem Sie träumen? Wo befindet sich das?

Maciej: Jedes Instrument hat seinen eigenen, einzigartigen Stil und Kontext. Wir entdecken gerne neue Orte und treffen Leute, die Orgelmusik genauso lieben wie wir.

Zuzanna: Ich stelle mir vor, 1913 auf der damals größten Orgel der Welt in der Jahrhunderthalle/Hala Stulecia in Breslau/Wrocław zu spielen. Das wäre doch mal was!

Ich wünsche Ihnen, dass sich alle Ihre privaten und beruflichen Wünsche erfüllen! Vielen Dank, ich lade Sie, meine Leser, nach Schweidnitz/Świdnica ein. Glauben Sie mir, es ist eine einzigartige Stadt! 

Hat Sie das auf den Geschmack von Orgelmusik gebracht? Dann lauschen Sie gerne Maciej Bator auf SoundCloud oder besuchen Sie das virtuelle Konzert. Falls Sie Interesse an einer Musikreise nach Polen haben können wir Ihnen gerne weiterhelfen.

 

 

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