Die Krämerhäuser in Posen die schmälsten Läden Polens

Autor: Maria Jajte

14. September 2022

Sie schreibt enthusiastisch über polnische Kultur und Kunst und andere Themen

Begleiten Sie uns heute zu den Krämerhäusern in Posen. Posen (Poznań) ist eine Großstadt im Westen Polens, die für ihr imposantes Rathaus und ihre köstlichen Martinshörnchen berühmt ist. Unsere Blog-Reihe über Kleines aber Feines geht weiter. In der dritten Folge fragen wir unseren Posener Stadtführer, Herrn Marcin Fabiszak: Was ist in Posen ‚KLEIN ABER OHO‘

Klein aber oho in Posen

Guten Morgen, Herr Marcin. Sie leben und arbeiten in einer wunderschönen Stadt, welche Besonderheiten können Sie uns empfehlen? Ich verbinde Posen mit dem Rathause mit den Ziegenböcken mitten auf dem Marktplatz, die köstlichen Martinshörnchen und die weltberühmten Fachmessen. Was denken Sie, kann man Posen als „KLEIN ABER OHO!“ bezeichnen?

Guten Tag, ich sehr gerne gebe ich Ihnen Einblicke in diese tolle Stadt.Trotz der Konkurrenz durch das direkt danebenstehende prachtvolle Renaissance-Rathaus erobern die Krämerhäuser, die winzigen Häuser mitten in der Altstadt immer wieder die Herzen der Touristen. Diese Häuschen, in Poznań auch Budenhäuser genannt, sind so schmal, dass ein Erwachsener mit ausgebreiteten Armen zwei gegenüberliegende Gebäudewände fast berühren könnte.

Woher kommen die Krämerhäuser und was ist das Geheimnis ihrer ungewöhnlichen Größe?

Im 13. Jahrhundert, als der Alte Marktplatz angelegt wurde, waren fast alle dieser Gebäude aus Holz. Anstelle der heutigen Krämerhäuser standen hier mehrere Jahrhunderte lang Holzbuden, an denen Kaufleute (=Krämer) ihre Waren anboten. Dicht aneinandergereiht war jeder Stand nur so breit wie eine Ladentheke. Hier wurden Waren des täglichen Bedarfs wie Kerzen, Fackeln sowie auch Salz verkauft. Das Hauptsortiment war jedoch frischer Fisch vor allem Hering.

Ihre heutige Form erhielten sie im 16. Jahrhundert, in der Zeit als die Kaufleute in Poznań sich beeindruckende Häuser ja sogar Stadtpaläste bauten.
Diese Krämerhäuschen (Handwerkerhäuschen) hatten jedoch nie die Chance, ein ähnliches Ansehen oder eine ähnliche Dynamik zu erlangen. Deshalb heben sie sich von den Gebäuden des Alten Markts in Poznań ab, dem drittgrößte und einem der schönsten Marktplätze in Polen.

Krämerhäuser in Posen als Verkaufsfläche für unterschiedliche Waren

Ich habe schon häufiger von Heringshütten gehört.

Ein anderer Name für diese Häuschen ist Heringshütten. Obwohl Posen nicht am Meer liegt, wurde hier in großen Mengen mit Hering gehandelt. Alles wegen der vielen Messen, die seit dem Mittelalter in Posen stattfanden. Auch das damals stark von der Religion geprägte Leben erhöhte die Nachfrage, denn es wurden alle Regelungen bezüglich des Fastens, bei der Fischgerichte ein Hauptbestandteil der Ernährung waren, streng eingehalten. Am Haus Nr. 17 kann man heute noch das einschlägige Zunftwappen mit Hering und drei Palmen sehen.

Warum sind die Krämerhäuser nicht nur so extrem schmal, sondern auch so hoch?

Eng aneinandergereiht ließen die Buden keine Erweiterung der Grundstücke in der Breite zu, also begannen die Kaufleute ihre Gebäude in die Höhe zu bauen. So waren sie innerhalb von mehreren hundert Jahren nicht breiter als eine Ladentheke aber schon zwei bis drei Stockwerke hoch. Natürlich waren solche Holzbauten auch Bränden ausgesetzt. Währen einer solchen Katastrophe brannten fast alle Buden und Wohnungen ab. Auf Geheiß des Stadtrates erfolgte der Wiederaufbau mit langlebigen Materialien (Stein). Aber die Grundfläche änderte sich nicht. Jeder Kaufmann baute ein Mietshaus, das nicht breiter war als sein früherer Holzschuppen. Das ist der Grund für die Breite der Krämerhäuser. Heute erinnert noch eine Säule am Haus Nr. 11 mit der Jahreszahl 1535 an den Wiederaufbau mit Backstein.

Die Krämerhäuser in Posen überlebten Brände und Kriege und wurden immer wieder neu aufgebaut

Haben diese Herringbuden den 2. Weltkrieg überlebt oder mussten sie rekonstruiert werden?

Nach dem 2. Weltkrieg mussten sie komplett rekonstruiert werden. Ihr heutiges Aussehen ähnelt aber sehr dem des 16. Jahrhunderts. Die Fassaden erhielten eine zeitgenössische vielfarbige Bemalung (Polychromie). Auch hier wird heute noch gehandelt, wie vor hunderten von Jahren, lediglich das Sortiment hat sich geändert. Stadt Heringen, Fackeln oder Kerzen verkaufen die Händler aparte Souvenirs aus Posen. Besuchen Sie unbedingt diese einmaligen Häuser. Sie sind zwar bescheiden aber farbenfroh und klein aber verspielt.

Sie haben Recht, Herr Marcin, die Häuser sind nicht nur äußerst interessant, sie sind einfach märchenhaft. Man muss sie unbedingt gesehen haben und man wird sich sicher in sie verlieben. Vielen Dank für das tolle Gespräch und bis bald in Poznań. Wir werden uns beim Häuschen Nr. 11 treffen. Vielleicht reden wir beim nächsten Mal über die köstlichen Martinshörnchen, auch die sind KLEIN ABER OHO!

Noch ein paar Worte zu Posen selbst. Diese polnische Großstadt liegt an der Wartha (polnisch: Warta) und spielte eine entscheidende Rolle in der Geschichte Polens und heute vor allem eine lebendige Studentenstadt. Besonders sehenswert ist die die gotische Kathedrale auf der Dominsel sowie die von der polnischen Renaissance geprägte Altstadt. Ein kleiner Tipp noch: Sollten Sie mittags auf dem Hauptmarkt sein, richten Sie Ihren Blick auf die Bilder am Rathaus, wo täglich zwei Steinböcke sich mit den Hörnern stoßen. Falls Sie Interesse an einer Reise nach Posen haben empfehlen wir Ihnen unserer große Polenrundreise oder melden Sie sich bei uns und wir planen eine Gruppenreise, die genau zu Ihnen passt.

 

 

Abonnieren
Benachrichtigen von
guest
0 Comments
Inline-Rückmeldungen
Alle Kommentare anzeigen
Skip to content