Pierogi in São Paulo

Ich heiße Patrick und das ist meine Geschichte, wie ich in São Paulo (Brasilien) Polnische Pierogi gegessen habe. 

Ich saß in einem kleinen Café im angesagten Stadtviertel Vila Madalen im Westen São Paulos und war in meine Recherche zu Bigos und Pierogi vertieft.

Keine alltägliche Beschäftigung für mich, denn als Student der Urbanistik liegt mein Rechercheschwerpunkt tendenziell eher bei Walter Siebel, Henri Lefvebre oder Paul-Michel Foucault. Heute jedoch wollte ich mich auf einen Gastbeitrag für diesen Blog vorbereiten: ein klassisch polnisches Gericht, ein bisschen Hintergrundgeschichte und das Rezept. Es dauerte jedoch nicht lang, da fing mein Magen an zu Knurren und beim Anblick der Fotos, passend zu meinen Suchanfragen, lief mir die Spucke im Munde zusammen. Es ist nämlich so, dass ich bereits seit über einem halben Jahr in Südamerika lebe. Nicht hier in São Paulo sondern in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Dort gibt es Apfelstrudel, Kaiserschmarren und Bratwurst doch polnische Köstlichkeiten, abgesehen von Wodka, sind mir dort noch nicht untergekommen. Nun dachte ich mir, im Paulistaner Café nach Bigos, Pierogi und Barszcz lüstend, bin ich doch in der größten Metropole Südamerikas und in einer der multikulturellsten Städte der Welt, es könnte ja eventuell die Chance bestehen, dass sich auch ein Pole hierher verirrt hat und heute die Brasilianer mit polnischen Gerichten beglückt. Nach einer kurzen Suche im Internet stellte sich heraus, dass sich im Umkreis von 600 Metern gleich drei polnische Restaurants befinden. Also zögerte ich nicht länger und machte mich direkt auf den Weg in den Hybrid aus Café und Restaurant Polska 295. Hier traf ich Veronika, die Inhaberin des Restaurants, die ihre Geschichte mit mir teilte. Ihr Vater war während des Zweiten Weltkriegs polnischer Soldat und kam gegen Ende des Krieges in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach 1945 ging er in die Schweiz, wo er Veronikas Mutter kennenlernte. Über einige Umwege emigrierter die beiden nach Brasilien und gründeten hier ihre Familie. Nach vielen Umzügen über London und die Vereinigten Staaten ist Veronika nun wieder in Brasilien und betreibt in der Rua Simão Álveres 295  in São Paulo das kleine Restaurant. 

Während ich auf meine Pierogi gewartet habe wollte ich etwas mehr über die Polonia (also die polnischen Emigranten) in Brasilien erfahren. Nach kurzer und recht oberflächlicher Recherche erfuhr ich, dass die brasilianische Polonia 1,8 Millionen Menschen umfasst. Somit ist Brasilien nach den USA (9,7 Millionen) und Deutschland (2 Millionen) das Land mit der drittgrößte Polonia. Auch in Argentinien leben 450.000 Nachfahren polnischer Einwanderer. Doch im Vergleich zu den Deutschen Einwandern sind sie in der Öffentlichkeit kaum präsent. Nach kurzer Wartezeit wurden mir die acht Pierogi (vier davon klassisch gefüllt mit Kartoffeln und Zwiebeln, also „pierogi ruskie” und vier mit Ricotta) serviert. Geschmeckt hat es wunderbar doch im Vergleich zum allgemeinen Preisniveau in São Paulo lässt sich dieser exotische Gaumenschmaus deutlich dem gehobenen Preisniveau zuordnen. Naja wer sich 10.654 km von Warschau entfernt Pierogi schmecken lassen will, muss wohl damit rechnen. Es war den Preis allemal wert. 

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