Streetart, Wandmalerei und Graffiti

Falls Sie dieses Thema interessiert empfehlen wir Ihnen unsere Städtereise nach Łódź

Streetart ist eine der Kunstformen, die unsere Städte außergewöhnlich macht. All zu oft eilen wir an wahrhaften Meisterwerken vorbei, die sich durch ihre Alltäglichkeit ebenso wie ihre Vergänglichkeit auszeichnen. Natürlich gibt es auch Kunstbegeisterte die Gezielt die Hauptstädte des Graffiti, wie London, New York, São Paulo oder Berlin aufsuchen. Doch wussten Sie, das auch in Polen und insbesondere in der ehemaligen Textilhauptstadt Mitteleuropas Lodz eine Menge zu entdecken ist? Wir laden Sie ein, ganz im Sinne der Idee von Slow Travels das Nachbarland Polen unter einer ganz besonderen Art und Weise kennenzulernen. Innehalten, das Schritttempo verringern und wahre Meisterwerke entdecken. Haben Sie Interesse? Dann genießen Sie unseren Feuilletonbeitrag zu Streetart, Wandmalerei und Graffiti.

Streetart, Wandmalerei und Graffiti von New York bis Łódź

Vor gut 30 Jahren, als meine ältere Tochter Joanna auf ein Erlanger Gymnasium ging, erhielten die Schüler im Kunstunterricht die Aufgabe, ein Graffiti im amerikanischen Stil anzufertigen. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts suchten amerikanische Graffitikünstler nach besonders großen Wänden im öffentlichen Raum, um im Schutz Dunkelheit unbemerkt von der Polizei blitzartig, direkt aus den Spraydosen ihre ersten Tags und Bombings zu hinterlassen, um sie dann unter knapper Straßenbeleuchtung oder Neonlicht mit Hilfe von Stenciles zu vervollkommnen und ihre originalen persönlichen Graffiti-Kunstwerke zu erschaffen.

Auf diese Art und Weise artikulierten die Jugendlichen ihre Ansichten und prangerten die Realität an, die sie zu verändern versuchten. Das Adrenalin schoss den jungen Menschen während des Schaffungsprozesses dieser Manifestationen des rebellischen Aufbegehrens durch die Venen. Ihren Ob im Untergrund, unter den Brücken der Stadt oder in dunklen U-Bahnschächten, je außergewöhnlicher der Ort, desto größer war die Verlockung. Die Polizei versuchte gegen den „Vandalismus“ vorzugehen, im übrigen nicht nur in New York. Wenn man erwischt wurde drohten hohe Geldstrafen und sogar Freiheitsentzug. Laut Experten gab es bereits in der Antike erste Formen der Graffiti-Kunst. Es ist anzunehmen, dass zwar die Gründe für die Entstehung dieser Werke anderer Natur waren, jedoch das Motiv das gleiche war: Unzufriedenheit und Wut gab den Künstlern den Ansporn zu ihren Werken. Ich vermute sogar, dass die bekannten Wandmalereien in den Höhlen von Lascaux im Frust nach einer misslungenen Jagd entstanden sind. 

Wer soll es mir verbieten und wer sollte es der Jugend verbieten? 

Die Schüler aus Erlangen bekamen Blätter im A2 Format ausgehändigt, auf denen eine Schwarz-Weiß-Kopie eines New Yorker U-Bahnwagons abgebildet war. Damals setzte ich mich zum ersten Mal mit dem Thema des Graffiti auseinander; während die Gymnasialschüler vergnügt ihrer Aufgabe in der Stille der beheizten und gut beleuchteten Klassenzimmer der „Ohmler“ (so nannten sie ihre Schule liebevoll) nachgingen. Hat der Geschmack der verbotenen Frucht ihren Werken Farbe, Begeisterung und Mut verliehen? Aber die Frucht ihrer Arbeit war nicht verboten, sondern geboten! Die Kinder lernten zwar die Geschichte und Bedeutung von Graffits. Doch das Gefühl etwas verbotenes zu tun, was mit unter den kreativen Geist der Malereien ausmachte, blieb ihnen verwehrt. 

Ich war hier!

Das Bedürfnis, seine eigene Existenz zu manifestieren – zu sagen: „Ich war hier“ – und eine Spur zu hinterlassen hat uns während der gesamten Menschheitsgeschichte begleitet. Diese sogenannten Tags sind in Ägypten (Gräber), im italienischen Pompeji, an den Wänden von Kirchen, auf Grabsteinen, Bäumen und auf den Oberflächen unserer Schulbänke zu sehen. Das Wort „Graffiti“ kommt vom italienischen Wort „Graffiato“, was „zerkratzt“ bedeutet. Kunsthistoriker glauben, dass die Wortherkumpft  auf die ehemaligen Entstehungstechniken von Wandmalereien zurückzuführen ist.  Die frühesten Formen von Graffiti wurden mit scharfen Gegenständen in die Wände geritzt. Graffitis im amerikanischen Stil hingegen sind eine kurze Anordnung von Buchstaben, die auf ungewöhnliche Weise an die Wand gesprüht werden. In diesem künstlerischen Genre unterscheiden Experten die Malereien in unterschiedliche Untergruppen, in denen Zeichen Formen annehmen, die auf den Wilde-Style, Buble-Style oder 3D-Style zurückgehen. Diese Unterarten werden beim direkten Vergleich deutlicher als bei theoretischen Auseinandersetzungen mit diesen. 

Darryl McCay (aka Conbread)

Darryl McCay (aka Conbread) gilt als Vater des modernen Graffitis, welcher nach der Entlassung aus dem Gefängnis auf der Suche nach seiner großen Liebe überall in der Stadt seine Botschaft – Cornbread Loves Cynthia – hinterließ, um die Frau zu finden, die er liebte. Er fand schnell gefallen daran, seine Emotionen auf diese Art und Weise auszudrücken. So begann er, an den unterschiedlichsten Orten seine Botschaften zu hinterlassen; selbst an einem Flugzeug … Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit dem mittlerweile stark gealterten Mann gelesen, der mit Ernsthaftigkeit und Tiefe über seine Ausdrucksform sprach. Das ist jedoch ein Thema für einen zukünftigen Blogartikel. Heute wollen wir es bei dieser herzerwärmenden Geschichte belassen. In den frühen 1970er Jahren fand auch der New Yorker Schriftsteller TAKI 183 sich und viele andere in dieser Form der Selbstverwirklichung wieder. Taki hielt sich für einen Schriftsteller. Ein Schriftsteller einer anderen neuen Form und eines anderen Ausdrucks von Worten!

Murale

Murale (pl. murale; eng. murals) hingegen sind großformatige Grafiken an den Wänden von Gebäuden. Ihr Name ist spanischen Ursprungs und bedeutet dekorative Wandmalerei, die besonders im alten Rom verbreitet war. Der Name „Murale“ bezieht sich auf Werke, die an den Wänden fast aller großen und kleinen Städte in der Welt, in Europa und in Polen gemalt werden. 

So wie nicht jedes Graffiti die Bezeichnung Straßenkunst verdient, ist auch nicht jedes Wandbild ein Meisterwerk.  Heute ist die Welt der Wandmalerei kommerziell geworden. Straßenkünstler treten aus ihrer Anonymität heraus und stellen ihre Werke auf Kunstveranstaltungen und in bekannten Galerien aus. Sie können sich ein individuelles Wandbild gönnen. Ich habe das überprüft. Natürlich gibt es einige unbesiegbare Künstler, wie Banksy, deren Identität für immer ein Geheimnis bleiben wird. Neue Formen der Kunst waren schon immer überraschend, genau wie neue Ideen. Die einen sagen, es sei ein Verrat von Prinzipien, die anderen haben ihre eigenen Motive. Ich verstehe beide Seiten und frage mich zugleich, wie es wohl ist, eine Wand zu haben – einen Keilrahmen so groß wie das Gewölbe der Sixtinischen Kapelle und die Möglichkeit, seiner Kreativität freien Lauf lassen zu können. Ist es nicht beängstigend, oder vielleicht auch stolzerfüllend, eine Dauerausstellung seines Kunstwerks zu installieren, die von Erwachsenen, Kindern, Kunstkennern und Obdachlosen, die niemals, aber auch wirklich niemals, die verzauberten Gefilde des Museums durchqueren werden, gleichermaßen besichtigt wird? Es ist schwer zu beurteilen, inwiefern finanzielle Aspekte für die Wesensart der Streetart von Bedeutung sind. Ein Künstler zu sein und ein Publikum zu haben, einschließlich derer, die sich der Anwesenheit des Werks nicht bewusst sind. Ein Teil des städtischen Raums zu werden, wie ein Palast, ein Haus oder eine Kathedrale, zu überdauern und für immer, wenn das Gebäude nicht abgerissen oder renoviert wird, ein Teil der Stadtgeschichte zu werden. Um die Bewohner der benachbarten Höfe täglich zu begleiten, um die Touristen zu bezaubern.  

Streetart in Polen

In meiner Heimat Polen, waren Wandbilder, während der kommunistischen Ära, die für Institutionen und Firmen warben (PKO, PZU, Pewex usw.) besonders prominent… Das Paradoxe war, dass diese Institutionen keine Werbung brauchten, weil sie in der grauen Welt des Mangels keine Konkurrenz hatten. In Lodz (polnisch Łódź), wo ich studierte, wurde dieses Grau durch riesige Buchstaben durchbrochen, die für die „Zakłady Przemysłu Bawełnianego im. Armii Ludowej“ (Baumwollfabrik der Volksarmee) und für die Seidenfabrik „Pierwsza“ warben.

Heute sind über 100 Lodzer Gebäuden mit Wandgemälden dekoriert. Sie sind sozusagen die größte städtische Außengalerie Polens. Ihre Schöpfer – bekannte Künstler, aus Polen (u.a. Proembrion, M-City, Etam) sowie aus dem Ausland (u.a. Os Gemeos, Eduardo Kobra, Inti, Aryz, Remed) wurden sowohl von der städtischen Leben als auch von der großartigen städtischen Kunst inspiriert Seit Jahren entstehen diese Kunstwerke dankt zahlreichen Initiativen, Elan und unermüdlichen Aktivitäten der bekannten großartigen Lodzer Stiftung Urban Forms (polnisch Fundacja Urban Forms).

Nicht nur Murale (Wandgemälde) sind hier in dieser zeitgenössische Außengalerie zu finden, sondern auch sehr interessante Installationen, die aus verschiedenen Materialien wie Autoteilen, Spiegelfragmenten und sogar aus Moos entworfen und konstruiert worden sind.

Sie sind an den Wänden der Gebäude angebracht, um das Stadtbild optisch aufzuwerten und so ihre Bewohner und Touristen zu erfreuen.

Für einige Zeit wurde eine der ersten Wandmalereien von Łódź , die 2001 von der Lodzer Künstlergruppe Design Futura an der Piotrkowska (Straße) 152 bildnerisch gestaltet und künstlerisch umgesetzt wurde, im das Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen und trug für einige Zeit den Titel „das größte Graffiti der Welt“.

Man könnte endlos über alte und neue Wandmalereien in Lodz reden! Noch besser ist es, die Stadt meiner Jugend auf den Spuren der Streetart zu erkunden. Ich füge ein paar Fotos an, um Ihren Appetit auf einen solchen Spaziergang anzuregen, oder besser gesagt auf die Spaziergänge, denn bei so vielen Objekten lohnt es sich, ein paar Erkundungsgänge zu machen.

Streetart als inspirationsquelle

Um den Kreis zu schließen …. Die Ohm-Jugend hat ihren Job gemacht, sie haben gelernt, was ein klassisches amerikanisches Graffiti ist, viele Wörter sind in ihrem Englischvokabular hinzugekommen, so dass sowohl der Kunstlehrer als auch der Englischlehrer zufrieden waren. Die beste Art des Unterrichts ist es, die Schüler mit interessanten Texten und Fakten anzuregen. Ich weiß nicht, ob einer der jungen Leute ernsthaft mit dem Sprayen angefangen hat, aber ich weiß sicher, dass die Faszination für Graffiti und Wandmalereien geweckt wurde und es einige in verschiedene Städte auf der ganzen Welt zieht, um die Städte, ihre Dynamik, ihre Bewohner, deren Künstler, Sieger, Versager,  und Stümpern zu sehen, zu fühlen, zu verstehen….

Heute wünsche ich Lodz und seinen ausgezeichneten Stadtführern, dass die Touristen ihre Stadt auf den Spuren der zeitgenössischen Straßenmeisterwerke besuchen kommen! Ich lade Sie ein.

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